Rom ist voller Jugendlicher am Sonntagmorgen. Viele haben Rücksäcke geschultert, tragen Bergschuhe, haben Isomatten auf den Rücken geschnallt. Müde schlendern sie morgens durch die Straßen. Eigentlich sollte an diesem Tag Carlo Acutis auf dem Petersplatz heiliggesprochen werden, der 2006 mit Alter von 15 Jahren verstorbene „Internet-Apostel“. Aber nun, nach dem Tod von Papst Franziskus, steht immer noch alles im Zeichen der Begräbnisfeier und des Trauerzuges durch die Stadt am Vortag. Franziskus wollte nicht im Petersdom, sondern in der Basilika Santa Maria Maggiore im Bahnhofsviertel bestattet werden, bei seiner Lieblingsikone, der „Maria salus populi romani“. Mehr als hundertmal betete der Papst hier. Seit Sonntagmorgen ist sein Grab im linken Seitenschiff zugänglich. 20 000 Menschen besuchen es am Vormittag. Es sind viele Jugendliche, die den Grabstein aus hellgrauem Marmor suchen. „Franciscus“ steht darauf geschrieben, ein einziges Wort, mehr nicht. Eine weiße Rose liegt auf dem Grabstein.
Franziskus war ein Papst des Volkes. Das wurde bereits am Abend seiner Wahl vor zwölf Jahren deutlich, als er die Versammelten hier auf dem Petersplatz schlicht mit „Liebe Brüder und Schwestern, buonasera!“ begrüßte. Bäder in der Menge, etwa beim Weltjugendtag 2013 in Rio de Janeiro, als das Papstauto beinahe in der jubelnden Masse stecken blieb, wurden zum Synonym des Pontifikats. Am Samstag ist der Papst auf seiner letzten Fahrt. Rund 150.000 Menschen säumen die Straßen Roms. Es geht am Kolosseum vorbei, die Zuschauerinnen und Zuschauer stehen hinter den Absperrungen. Sie wollen einen Blick auf den Holzsarg erhaschen oder mit ausgestrecktem Arm ein Foto mit dem Smartphone schießen. Je näher das Papamobil der Basilika Santa Maria Maggiore im Bahnhofsviertel kommt, wo Franziskus begraben werden wollte, desto voller sind die Straßen, umso stärker wird auch der Applaus.
Papst Franziskus wollte „Begräbnis eines Pfarrers und nicht eines Herrschers“
Ob Franziskus, der sich selbst den „Papst vom anderen Ende der Welt“ nannte, so einen Aufwand gewollt hätte? Eigentlich hatte sich der Papst ja das „Begräbnis eines Pfarrers und nicht eines Herrschers“ gewünscht und das vor seinem Tod sogar in den liturgischen Bestimmungen für seine Beisetzung festschreiben lassen. Der Holzsarg, der für die Begräbnisfeier auf den Vorplatz des Petersdoms getragen wurde, ist schlicht. Auch die vom 91 Jahre alten Kardinaldekan Giovanni Battista Re zelebrierte Trauermesse kommt ohne größeres Brimborium aus. „Er war ein Papst des Volkes und hatte ein offenes Herz für alle“, sagt der Kardinal in seiner Predigt über Franziskus.
Das „intensive Pontifikat“ habe Herzen und Köpfe berührt. Als Re an die erste Apostolische Reise von Franziskus 2013 zu den Migranten auf der Mittelmeer-Insel Lampedusa erinnert, brandet Applaus in der Menge auf. „Brücken bauen und keine Mauern“, diese Aufforderung habe der Papst mehrfach wiederholt, betont Re. Was wohl die rechtspopulistischen Regierungschefs wie Italiens Giorgia Meloni, Ungarns Viktor Orbán, US-Präsident Donald Trump oder Argentiniens Javier Milei jetzt denken, die rechts des Altars sitzen?
Rund 250.000 Menschen sind zur Totenmesse gekommen, etwa 50.000 davon auf den Petersplatz. Franziskus hat zum Schluss noch einmal die Massen bewegt. Von Mittwoch bis Freitag verabschiedeten sich auch schon rund 250.000 Menschen im Petersdom von seinem aufgebahrten Leichnam. Jetzt sind wieder Hunderttausende da, beinahe eine halbe Million Menschen hat sich am Samstag in Rom für den Papst versammelt. Die italienischen Organisatoren haben sich selbst übertroffen in diesen Tagen, alles funktioniert reibungslos. Das Begräbnis ist ein Weltereignis. Links neben dem Altar hat der Klerus Platz genommen, 220 Kardinäle in Rot, die Bischöfe in Purpur. Rechts sitzen die Staatsmänner und -frauen, alle in Schwarz. Außer Donald Trump, der das Protokoll bricht und einen blauen Anzug trägt.
Söder empört mit Lächel-Selfie
Aus Deutschland sind Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier und Bundeskanzler Olaf Scholz gekommen. Auch EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen ist da. Und Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU). Ein Selfie Söders am Rande der Trauerfeier wird später für Irritationen und binnenpolitischen Ärger sorgen. Er veröffentlichte vor dem Begräbnis auf seinen Online-Kanälen ein Foto von sich und Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier, beide lächelnd, Söder strahlt sogar förmlich. „Gerade in Rom gelandet: Nun geht es im Konvoi mit Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier in den Vatikan zu den Trauerfeierlichkeiten für den verstorbenen Papst Franziskus“, schrieb er dazu.
Kritik folgt am Wochenende prompt: „Die Beerdigung des Papstes ist nicht das Oktoberfest“, schreibt etwa die FDP-Politikerin Marie-Agnes Strack-Zimmermann auf der Plattform X. „Da kann man schon froh sein, dass Söder nicht auch noch einen Döner in der Hand hat.“ Ein Sprecher des Bundespräsidenten beeilt sich später zu betonen, dass Söder das Foto gemacht habe. Es sei eine relativ spontane Aktion gewesen, Steinmeier habe nicht gewusst, dass Söder es sofort veröffentlichen würde. Bayerns Staatskanzleichef Florian Herrmann (CSU) sagt gegenüber dem BR zur Kritik an seinem Chef: „Man wundert sich über manche Debatten, als ob es nichts Wichtigeres gäbe.“
Der frühere nordrhein-westfälische Ministerpräsident und einstige Söder-Konkurrent Armin Laschet äußert sich indirekt zu alldem: „So verstörend mancher Selfie-Kult ist, so bewegend sind Bilder der Begegnung von Menschen, die existenziell auseinanderliegen, aber dennoch den Austausch suchen“, schreibt er. Er bezieht sich damit auf den letzten Coup, der Papst Franziskus im Tod noch gelingt.
Trump und Selenskyj treffen sich bei Papst-Trauerfeier in Rom
Bevor die Messe beginnt, begegnen sich Trump und der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj 15 Minuten lang im Petersdom. Das Treffen wirkt improvisiert. Selenskyj, diesmal nicht in Militärkleidung, sondern ganz in Schwarz, sitzt Trump auf einem Stuhl gegenüber. Beide sind nach vorne gebeugt, sich zugewandt. Es ist die erste Begegnung der Präsidenten nach dem Eklat Ende Februar im Weißen Haus.
Wie es heißt, soll Selenskyj Trump einen neuen Vorschlag für einen Waffenstillstand gemacht haben. „Es war ein sehr symbolträchtiges Treffen, das Potential hat, ein historisches zu werden, wenn wir gemeinsame Ergebnisse erzielen“, schreibt der Ukraine-Präsident anschließend auf Telegram. Das Weiße Haus beschreibt die Begegnung als „sehr produktiv“. Ist das der entscheidende Schritt für Frieden in der Ukraine, begangen ausgerechnet im Petersdom und im Angesicht des verstorbenen Pontifex? Russlands Präsident Wladimir Putin ist nicht nach Rom gekommen, der Kreml schickte an seiner Stelle Kulturministerin Olga Ljubimowa.
Angesichts der vielen Kriege habe Franziskus „unaufhörlich seine Stimme erhoben, um Frieden zu erbitten und zur Vernunft aufzurufen, zu ehrlichen Verhandlungen, um mögliche Lösungen zu finden“, daran erinnert der Kardinaldekan in seiner Predigt.

Zwölf Monarchen sind gekommen, insgesamt 52 Staatsschefs und Delegationen aus 166 Ländern. Argentiniens Präsident Javier Milei, der seinen Landsmann Franziskus einst als „Idioten“ und „Repräsentanten des Bösen auf Erden“ bezeichnet hatte, darf dem Vatikanprotokoll zufolge in der ersten Reihe sitzen. Als Selenskyj auf den Großbildschirmen erscheint, gibt es Applaus. Zuvor durften sich Weggefährten vom Körper des Papstes verabschieden. Unter ihnen ist auch der „persönliche Gesundheitsassistent“ von Franziskus, Massimiliano Strappetti, der in den vergangenen, von Krankheit geprägten Wochen wohl engste Mitarbeiter des Papstes. Strappetti küsst den Sarg, dabei steht neben ihm König Felipe VI. von Spanien. Wie argentinische Medien berichten, hat es auch Mauro Bergoglio, der Neffe des Papstes, Sohn seines Bruders Oscar, auf den Petersplatz geschafft. Der Krankenpfleger aus Buenos Aires konnte sich offenbar die Reise nicht leisten, schließlich sprang ein Reisebüro ein und übernahm die Kosten.
Sargträger tragen Leichnam des Papstes in Basilika
Wuchtig tönen Orgelmusik und Gesänge bei der Totenmesse über den Platz. Die Worte des Kardinaldekans hallen über die Straßen bis zum Tiber weiter. Überall haben die Organisatoren für die herbeigeströmten Menschen Großbildschirme und Lautsprecheranlagen aufgestellt. Als Re bei der Messe die Hostie in die Höhe hält, ist es beinahe totenstill. Nur die römischen Möwen, die Funkgeräte einiger der insgesamt 4000 aufgebotenen Polizisten und Polizistinnen sowie ein Handysignal sind zu hören. Beim Eingang zur Piazza haben sich zwei erschöpfte Jugendliche auf den Boden gelegt und ruhen mit geschlossenen Augen in der Sonne. Ein Junge mit rotem „Minecraft“-T-Shirt steuert ein ferngesteuertes Auto durch die Menge. Niemand regt sich auf, viele bekreuzigen sich. Der italienische Zivilschutz verteilt Wasserflaschen. „Kinder zuerst“, heißt es.
Auch am Sonntag ist der Zustrom ungebrochen. Zur Messe auf dem Petersplatz, die eigentlich anlässlich der Heiligsprechung des Internet-Patrons Acutis gefeiert werden sollte und nun die zweite von neun Messen im Gedenken an den Franziskus ist, kommen 200 000 Menschen, die meisten sind Jugendliche. Der bisherige Kardinalstaatssekretär Pietro Parolin hält die Predigt. Papst Franziskus habe die Gläubigen daran erinnert, „dass es keinen Frieden geben kann ohne die Anerkennung des anderen, ohne Aufmerksamkeit für die Schwächsten und vor allem kann es niemals Frieden geben, wenn wir nicht lernen, einander zu vergeben“. Der Kirchendiplomat Parolin (71) gilt als Nachfolgekandidat Nummer eins. An diesem Montag setzen die Kardinäle ihre täglichen Beratungen fort. Kommende Woche beginnt dann die Papstwahl im Konklave.
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