Die Ausgaben für die Pflege steigen seit Jahren rasant – 2023 lagen sie laut Bundesgesundheitsministerium bei 59,2 Milliarden Euro in der sozialen und privaten Pflegeversicherung zusammen. In einem Interview mit der Rheinischen Post fordert der Präsident der Deutschen Industrie- und Handelskammer (DIHK) Peter Adrian nun einen radikalen Kurswechsel. Dabei werde man nicht um Leistungskürzungen herumkommen.
Weg von der „Vollkasko-Mentalität“: DIHK-Chef fordert Kürzungen bei Pflege-Leistungen
Im Interview mit der RP warnte Adrian davor, dass die Kosten der Pflegeversicherung zunehmend aus dem Ruder liefen. Statt wie ursprünglich geplant nur „extreme Fälle abzufedern“, würden mittlerweile bei geringer Hilfsbedürftigkeit bereits Zuschüsse gezahlt. Damit sei das System langfristig nicht mehr tragfähig, so der DIHK-Chef.
Tatsächlich beziehen aktuell über 5,5 Millionen Menschen Leistungen aus der Pflegeversicherung – davon rund 4,4 Millionen ambulant, was zeigt, wie stark die häusliche Pflege auf dem Vormarsch ist. Der größte Anteil entfällt dabei auf Pflegegrad 2 mit mehr als 1,9 Millionen Empfängern, gefolgt von Pflegegrad 3. Diese Daten stammen aus dem Blatt „Zahlen und Fakten zur Pflegeversicherung“ des Bundesgesundheitsministeriums. Viele dieser pflegebedürftigen Personen erhalten Pflegegeld oder Sachleistungen, auch wenn ihre Beeinträchtigungen nicht immer gravierend sind. Seit 2025 beträgt das Pflegegeld bereits ab Pflegegrad 2 monatlich 347 Euro, ab Pflegegrad 3 sogar 599 Euro. Bei den Pflegesachleistungen reicht die Spannbreite von 796 Euro bis 2299 Euro pro Monat, je nach Pflegegrad, geht aus einer Kurzübersicht des Bundesgesundheitsministeriums hervor.
Peter Adrian sieht hierin ein zentrales Problem: „Wenn die jetzt schon hohen Beiträge und Steuern nicht noch weiter steigen sollen, müssen wir die Leistungen sinnvoll begrenzen. Der Staat kann nicht jede Form von Pflegebedürftigkeit komplett abdecken.“ In der gesetzlichen Krankenversicherung könnten diejenigen, denen es zuzumuten sei, mehr Eigenbeiträge leisten. Angesichts der steigenden Lebenserwartung lohne es sich außerdem, das Renteneintrittsalter ab 2031 weiter an die zusätzliche Lebenszeit im Alter anzupassen.
Generell brauche es in Adrians Augen mehr Eigenverantwortung der Bürgerinnen und Bürger. „Wir müssen weg von der Vollkasko-Mentalität“, befindet der DIHK-Präsident.
Kürzung bei den Pflegeleistungen? Diese Folgen hätte das für Betroffene
Für viele Betroffene könnte eine Reform jedoch gravierende Auswirkungen haben. Vor allem ambulante Pflegeleistungen, Kurzzeitpflege und Verhinderungspflege könnten dann unter Beobachtung stehen, da sie laut den Zahlen des Bundesgesundheitsministeriums oft mehrfach und gleichzeitig bezogen werden. Schon heute erhalten rund 56 Prozent der Pflegebedürftigen ausschließlich Pflegegeld – also Geldleistungen für häusliche Pflege durch Angehörige oder Freunde. Ein Großteil davon entfällt auf Menschen mit geringerem Pflegegrad, insbesondere den Pflegegraden 1 und 2.
Dennoch zeigt die Statistik des Bundesgesundheitsministeriums auch, dass die Pflegeversicherung ein entscheidender Pfeiler der sozialen Absicherung ist: 2023 wurden rund 3,6 Milliarden Euro in die Rentenversicherung von pflegenden Angehörigen eingezahlt – eine stille Leistung, die ebenfalls zur Finanzierung beiträgt.
Die Aussagen von Peter Adrian treffen also einen Nerv. Die Debatte um die Pflege 2025 steht beispielhaft für die Spannung zwischen sozialer Absicherung und Finanzierbarkeit. Ob und wie die Politik auf die Forderungen nach Kürzungen bei den Pflegeleistungen reagiert, dürfte zu einem der sozialpolitisch heikelsten Themen der kommenden Monate und Jahre werden.
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