Bodybuilder als Pfleger, das wirkt wie der Plot einer besonders einfallsreichen Netflix-Serie. In Japan ist das Szenario allerdings zur Realität geworden. Starke Männer in Altersheimen könnten nicht nur innerhalb der Inselnation eine Antwort auf eine Fragestellung sein, die sich durch den demografischen Wandel ergibt. Eine kreative und weltweit einzigartige Antwort.
Der Pflegebedarf in Japan ist hoch, der Job in der Pflege unattraktiv
Der Bedarf für Personal in der Altenpflege ist in Japan riesig. Rund 30 Prozent der Japanerinnen und Japaner sind 65 Jahre oder älter. Laut Berechnungen von Japan Health Policy Now wird der Anteil dieser Bevölkerungsgruppe bis zum Jahr 2060 auf 40 Prozent ansteigen. Demnach kommt hinzu, dass Japans Frauen und Männer eine der höchsten Lebenserwartungen der Welt mitbringen. Sie liege bei den Frauen bei 91,35 Jahren und betrage bei den Männern 84,95 Jahre.
Jobs in der Pflege sind für die meisten Menschen wenig attraktiv - das ist in Japan nicht anders als in Deutschland. Einem Bericht der Zeit ist zu entnehmen, dass Berufe in diesem Bereich mit drei K‘s umschrieben werden: kitanai, kitsui und kyuuryou ga yasui. Ins Deutsche übersetzt bedeute das „schmutzig, anstrengend und schlecht bezahlt“.
Japan: Bodybuilder werden als Pfleger im Altersheim eingesetzt
Das Unternehmen Visionary, das rund 20 Pflegeeinrichtungen in Japan betreut, hatte eine ausgefallene Idee, wie der Job als Pfleger attraktiver gemacht werden kann. Es heuert Bodybuilder und angehende Bodybuilder an, die sich zwei ihrer acht Arbeitsstunden am Tag dem Training widmen dürfen. Bei voller Bezahlung. Das Unternehmen übernimmt außerdem die Kosten für Fitnessstudio, Fitnessprodukte wie Eiweißpräparate und Anmeldegebühren für Bodybuilder-Wettbewerbe. „Ich möchte das Image der Pflegebranche ändern, indem ich den Mitarbeitern helfe, ihr Aussehen zu verbessern“, erklärte Yusuke Niwa, Präsident von Visionary, der japanischen Non-Profit-Nachrichtenagentur Kyodo News.
Nicht nur für die ungewöhnlichen Pfleger soll das Angebot des Unternehmens attraktiv sein. Das Bodybuilder-Team soll älteren und behinderten Seniorinnen und Senioren ein Gefühl von Sicherheit und Vertrauen vermitteln. Zum Zeitpunkt des Berichts von Kyodo News war das Team rein männlich. In Japan ist die Jobkampagne von Visionary als „Macho-Kampagne“ bekannt. Daraufhin hat der Präsident den Markennamen „Macho kaigo“ schützen lassen, der mit „Macho-Pflege“ übersetzt werden kann.
Der Zeit erzählt Niwa, dass er anfangs auf 30 Bewerbungen gehofft und schnell 300 erhalten hatte. Demnach hat Visionary mittlerweile etwa 190 Angestellte und betreut 500 ältere und behinderte Menschen. Der Jahresumsatz liege bei 1,3 Milliarden Yen, was rund 7,63 Millionen Euro entspricht.
Bodybuilder in der Pflege - eine Idee für Deutschland?
Im Interview mit der Zeit offenbarte Niwa große Zukunftspläne. Er will mit seinem Unternehmen expandieren und seine Idee in die Welt tragen. Europa sieht er als passenden Markt an, da sich die Demografie ähnlich darstellt wie in Japan. Demnächst soll ein Wettbewerb starten, durch die ein Gesicht für die erste Kampagne im Ausland gesucht wird. Womöglich ist dieses dann auch in Deutschland zu sehen.
„In Deutschland gibt es doch bestimmt auch viele kräftige Typen, die sich freuen würden, dafür bezahlt zu werden, etwas Gutes zu tun und nebenbei die Muskeln aufzubauen?“, bringt sich Niwa schon einmal auf dem deutschen Markt in Stellung.
Übrigens: Derzeit herrscht Finanznot in der Pflegekasse. Auch die Kosten für die Kurzzeit-Pflege sind gestiegen.
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