Die iranischen Atomanlagen sind schwer beschädigt, doch ein Ende des Krieges im Iran ist vorerst nicht absehbar. Israel setzt seine Angriffe fort und auch die USA drohen mit weiteren Operationen. Was das für die Region und die Weltgemeinschaft bedeuten könnte.
Nach US-Angriff auf den Iran: Wie geht es jetzt (militärisch) weiter?
Der Schlag gegen den Iran war heftig – doch beendet ist das militärische Vorgehen gegen den Mullah-Staat damit nicht. „Wenn der Frieden nicht schnell kommt, werden wir die anderen Ziele mit Präzision, Schnelligkeit und Geschick angreifen, die meisten von ihnen können in wenigen Minuten ausgeschaltet werden“, drohte US-Präsident Donald Trump in Richtung Teheran. „Wir werden uns nicht in einen Zermürbungskrieg hineinziehen lassen – aber wir werden diese historische Operation auch nicht beenden, bevor wir alle unsere Ziele erreicht haben“, sagte Israels Regierungschef Benjamin Netanjahu. Israels Armee hat schon am Montag ihre Operation fortgesetzt und Zugangswege zur Atomanlage Fordo angegriffen. Doch mit Anspannung blicken Experten derzeit vor allem in den Iran: Wird das Regime Vergeltung üben – und wenn ja: wie wird sie aussehen? Tatsächlich haben die israelischen Angriffe auf das Land viele Abschussrampen und Raketenlager beschädigt, es ist also unklar, über welches Waffen-Arsenal Teheran überhaupt noch verfügt. Allerdings ist auch nicht auszuschließen, dass das Regime auf andere Mittel zurückgreift. Möglich wären Mittel der Cyberkriegsführung oder das Aktivieren verbündeter Terrorgruppen, die den Krieg weit in die Region tragen könnten. Befürchtet wird zudem, dass der Iran seine Milizen auf US-Stützpunkte weltweit ansetzt.
Wankt das Regime in Teheran?
Lange war es nur eine Mutmaßung, inzwischen schürt das Weiße Haus offen Spekulationen über einen geplanten Sturz des iranischen Regimes. „Es ist nicht politisch korrekt, den Begriff ,Regime Change‘ zu verwenden“, schrieb Trump auf seiner Plattform Truth Social. „Aber wenn die derzeitige iranische Führung nicht in der Lage ist, den Iran wieder großartig zu machen, warum sollte es dann nicht einen Regime Change geben??? MIGA!!!“ Mit dem Kürzel aus vier Buchstaben spielte Trump auf seinen Slogan „Make America Great Again“ („MAGA“) an – hier bezogen auf den Iran: „Make Iran Great Again“. Wie stabil die iranische Regierung noch ist, lässt sich aktuell schwer abschätzen. In der Bevölkerung war das Regime schon vorher regelrecht verhasst, doch die Angriffe von außen haben die Bevölkerung eher gegen die USA und Israel in Stellung gebracht. Um die theokratische Regierung zu vertreiben, würde es wohl auch nicht genügen, Bomben abzuwerfen, Israel und die USA müssten Soldaten schicken – ob Donald Trump wirklich so weit gehen würde, ist ungewiss.
Was könnten die Folgen eines Regimewechsels im Iran sein?
Sollte Ajatollah Ali Chamenei tatsächlich seine Macht verlieren, dann eher, weil er stark geschwächt ist und Gruppen innerhalb der iranischen Elite ihre Chance wittern. Dass auf Chamenei ein Liberaler folgt, ist gleichwohl unwahrscheinlich, die mächtige Revolutionsgarde dürfte kaum gewillt sein, ihren Einfluss reduzieren zu lassen. Hinzu kommt, dass die iranische Gesellschaft stark zersplittert ist. Neben 40 Prozent Persern, 20 Prozent Azeris und sieben Prozent Kurden gibt es noch eine Vielzahl von Minderheiten. Geeint sind sie im Hass auf das Regime, ansonsten gehen ihre Vorstellungen weit auseinander. Wie schwierig ein gelungener Machtwechsel ist, hat sich zudem im Irak und in Afghanistan gezeigt. Im Irak folgte auf den amerikanischen Einmarsch ein anderthalb Jahrzehnte währender Krieg und die Gründung des „Islamischen Staates“ (IS), aus Kabul musste das US-Militär regelrecht fliehen.
Ist Irans Atomprogramm vollständig zerstört?
Die Bombardierungen durch Israel und die USA haben an den iranischen Atomanlagen schwere Schäden angerichtet. Satellitenbilder zeigen verwüstete Gebäude. Das Felsmassiv um die besonders gesicherte Nuklearanreicherungsanlage in Fordo ist von mehreren Kratern durchlöchert. In einem Tunnelsystem in 60 bis 90 Meter reicherte der Iran mit Zentrifugen Uran an. Angereichertes Uran ist der Grundstoff zum Bau von Atomwaffen. Die USA hatten die Anlage mit schweren bunkerbrechenden Bomben angegriffen, über die nur das US-Militär verfügt. „Verheerende Zerstörung wurde an allen Atomanlagen im Iran angerichtet. Vernichtung ist der treffende Begriff“, erklärte Trump. Auch tief unter der Erde sei großer Schaden angerichtet worden. Quellen im Iran sagen, dass das Regime in den Tagen vor der Attacke das hochangereicherte Spaltmaterial von Fordo aus in Sicherheit gebracht habe. Der Nuklearexperte Georg Steinhauser von der Technischen Universität Wien bewertet die Schäden der Luftangriffe als tödlich für das Bestreben der Mullahs nach der Atombombe. „Das iranische Atomwaffenprogramm ist Geschichte“, erklärte Steinhauser.
Was tun Russland und China?
Der Iran ist ein wichtiger Partner für Moskau und Peking. Die russische Armee greift mit iranischen Drohnen die Ukraine an, der Iran liefert Öl in das Reich der Mitte. Öffentlich haben sowohl Russland als auch China die Angriffe auf ihren Verbündeten verurteilt. Der russische Präsident Wladimir Putin sprach in einer Mitteilung von einer „absolut unprovozierten Aggression gegen den Iran“, für die es keinen Grund und keine Rechtfertigung gebe. „Wir haben mit dem Iran lange, gute, zuverlässige Beziehungen. Wir werden von unserer Seite Anstrengungen unternehmen, um dem iranischen Volk beizustehen“, sagte Putin. Konkreter wurde er nicht. Sein chinesischer Amtskollege Xi Xinping hatte Israel aufgerufen, die Angriffe einzustellen und an die USA appelliert, die Lage abzukühlen. Bekanntlich tat der US-Präsident das Gegenteil. Für China ist ein offensives Eintreten für den Iran nicht ohne Risiko. Das Land arbeitet im Zollstreit mit den USA an einem Kompromiss.
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