Die Burgruine Falkenstein, Alttrauchburg oder die Burgen Eisenberg und Hohenfreyberg: Im Allgäu gibt es viele alte Bauten, die von Zeiten zeugen, in denen Ritter und Räuber das Voralpenland durchstreiften. Während die großen Bollwerke früher dazu dienten, feindliche Herrscher vom Angriff abzuhalten, gab es für die einfache Bevölkerung andere Mahnmale, die sie zu Rechtschaffenheit mahnten: Galgen.
Doch anders als bei den Burgen und Burgruinen, findet man von heutzutage keinen einzigen Galgen mehr im Allgäu. Und das obwohl einst so viele die Hügel in der Region säumten. Doch was hatte es mit den Galgen genau auf sich? Wer durfte im Allgäu überhaupt einen Galgen aufstellen? Und was haben Blutbann und "Stock und Galgen" damit zu tun? Die Antworten und eine Allgäuer Galgen-Karte finden Sie hier.
Vom Recht auf Stock und Galgen: Wer durfte im Allgäu hinrichten?
Die Todesstrafe durchzuführen, war bis ins 15. Jahrhundert in Kempten dem Fürststift vorbehalten. Dieses Recht ging mit dem sogenannten Blutbann einher. Erhielt eine Stadt, ein Markt, eine Gemeinde den Blutbann, so erhielt sie auch das Recht zu "Stock und Galgen" und durfte somit Menschen hinrichten.
Die weltliche Reichsstadt Kempten stellte ihren Galgen nach der Reformation vorerst auf der "Schwaigwiese", dem Areal des heutigen Stadtparks auf. Später wurde der Galgen mehrfach verlegt und auch stiftische Galgen, wie der bei Binzenried, wurden von der Stadt mitbenutzt, erklärt Markus Naumann, Vorsitzender des Heimatvereins Kempten.
Blutbann für alle: Wie Kaiser Friedrich die Rechtsprechung im Allgäu erweiterte
Ab dem Jahr 1485 verlieh Kaiser Friedrich III. mehreren Märkten in der Region den Blutbann, darunter: Legau, Buchenberg, Unterthingau und Martinszell und viele weitere. Das geht aus dem Buch "Burgen, Schanzen und Galgen im Allgäu" von Otto Merkt hervor. Darüber hinaus gab es Galgen in Marktoberdorf, Kaufbeuren und Immenstadt, das zu dieser Zeit noch in der Grafschaft Rothenfels lag.
Wie der Kaufbeurer Stadtarchivar Dr. Peter Keller auf Anfrage unserer Redaktion schildert, "wurden in Kriegszeiten bisweilen auch sogenannte Schnellgalgen errichtet, um zusätzliche Hinrichtungen vornehmen zu können." So auch im Fall des polnischen Zwangsarbeiters Stefan Smiglarski, der mit nur 19 Jahren vom Hitler-Regime 1943 in Kaufbeuren an einem Galgen hingerichtet wurde. Die "offiziellen Galgen" im Allgäu sind allerdings relativ gut dokumentiert. Wo sie standen, kann man in der nachfolgenden Karte sehen.
Eine Galgen-Karte des Allgäus: Hier standen die Hinrichtungsstätten
Die Karte erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit und immer wieder aktualisiert. Wissen Sie von einem weiteren Galgen-Standort im Allgäu? Schreiben Sie uns - per Mail an digitalteam@azv.de.
Blutbann und "Stock und Galgen" - was ist das überhaupt?
Der Kaiser Friedrich III. verlieh im Jahre 1485 vielen Märkten in der Region den Blutbann - laut dem Legauer Chroniker Wilhelm Eberle "das Recht, neben der Prügelstrafe auch Todesurteile zu vollziehen". Der ehemalige Kemptener Bürgermeister und Heimatforscher Otto Merkt schreibt weiter: "Der übliche Ausdruck bei Verleihung des Blutbannes ist 'Stock und Galgen'. Auf dem Stock findet die Enthauptung statt, der Galgen bedeutet Tötung mit Ehrverlust."
Doch warum Ehrverlust? Der Galgen wurde laut Merkt meist dort aufgebaut, wo die großen Straßen in den Markt oder die Stadt hineinführten. "Als wolle dieser sagen: Wer sich in diesem Ort übel führt, kann damit rechnen, gehängt zu werden!"
Tod durch den Galgen: Sterben ohne Ehre?
Deswegen wurden die Verurteilten mit Absicht hängen gelassen. Das weiß auch Franz Abele, der sich seit Jahren mit der Historie der Kemptener Galgen auseinandersetzt. „Deshalb ließ man die Gehängten auch lange Zeit gut sichtbar am Galgen hängen, bis die Krähen als Galgenvögel kamen", sagt Abele. Der Verwesungsgeruch muss oft stechend gewesen sein. Wie überliefert ist, war der Gestank auch der Grund für die Verlegung des Kemptener Galgens von der Burghalde - nahe der Herrschaftsburg - an die heutige Memminger Straße.
Galgen im Allgäu: Im Mittelalter noch Symbol der Gerechtigkeit
Merkt schreibt in seinem Buch auch: "In der Praxis war der Galgen ein Symbol der Marktgerechtigkeit, ohne dass von diesem allzuviel Gebrauch gemacht wurde." In vielen Orten, darunter auch Immenstadt (oder im damaligen Namen in der Grafschaft Rothenfels) wurde der Galgen mitunter gar nicht verwendet. "Bei den bislang bekannten Fällen erlitt in Immenstadt niemand die Galgenstrafe, weil der Graf als Vorsitzender des Blutgerichts in der Regel die Verurteilten zum weniger schimpflichen, „ehrlicheren“ Tod durch das Schwert begnadigte", sagt Stadtarchivar Gerhard Klein auf Anfrage unserer Redaktion.
Lesen Sie auch: Warum man das Kempter Tor in Memmingen auch "Tor der Tränen" nennen könnte