Tausende Begeher des Heilbronner Wegs zwischen Kemptner- und Rappenseehütte überqueren ihn in den Sommermonaten: Den letzten kleinen Gletscher in den Allgäuer Alpen, die Schwarze Milz, unterhalb von Hochfrottspitze und Mädelegabel in den Oberstdorfer Bergen – auf älteren Karten oft auch als Schwarzmilzferner bezeichnet.
Gletscher Schwarze Milz schwindet weiter
An den vergangenen warmen Septembertagen dieses zu Ende gehenden Bergsommers zeigt sich der kleine Gletscher in einem denkbar schlechten, stark abgemagerten Zustand. Die letzten Eisreste sind überwiegend schuttbedeckt und ein Vergleich mit Bildern aus vergangenen Jahrzehnten zeigt: Es ist sozusagen ein Besuch am Sterbebett auf der Tiroler Seite der Allgäuer Alpen.
Denn die Eismasse ist nach einem Rekordverlust im Sommer 2022 offensichtlich auch heuer wieder drastisch geschrumpft. Wie viel, das ist wissenschaftlich noch nicht festgestellt. Der aus dem Oberallgäu stammende Gletscherforscher Dr. Christoph Mayer von der Bayerischen Akademie der Wissenschaften in München beschäftigt sich seit Jahrzehnten unter anderem mit dem Zustand des letzten „ewigen Eises“ in den Allgäuer Alpen. Heuer wird er vermutlich im Oktober Messungen an dem kleinen Rest-Eisfeld durchführen. (Lesen Sie auch: Das Allgäu im Schwitzkasten: Wie sich der Klimawandel auf die Region auswirkt)
Wann verliert die Schwarze Milz den Gletscher-Status?
Im vergangenen Sommer hatte Mayer den südlichen Schneeferner im Wettersteingebirge an der Zugspitze medienwirksam für „tot“ erklärt. Das kleine Eisfeld erfülle nicht mehr die Gletscher-Kriterien, befand die Akademie der Wissenschaften. Dieses Schicksal wird die Schwarze Milz vermutlich ebenfalls bald ereilen, prognostiziert Mayer. Wann? „Vielleicht in etwa drei Jahren“, hatte Mayer vergangenes Jahr geschätzt. Gewissheit gibt es nicht: Schneereiche Winter könnten das Ende hinauszögern. Doch das ist nur eine vage Hoffnung – angesichts der rasanten Erwärmung, vor allem in den Alpen. Erschreckende Daten: Der letzte Allgäuer Gletscher schmilzt im Rekordtempo
Damit ist klar: Der endgültige Todesstoß des ewigen Eises in den Allgäuer Alpen naht. So wie das der anderen vier verbliebenen Gletscher in den bayerischen Alpen. Als letzter werde wohl der Höllentalferner an der Zugspitze in zehn bis 15 Jahren verschwunden sein, prognostiziert Mayer. Den Schwarzmilzferner hatte er als Student in den 80er Jahren erstmals wissenschaftlich untersucht und der aus Sonthofen stammende Meteorologe Joachim Schug machte den kleinen Gletscher damals zum Gegenstand seiner Diplomarbeit. Nach Mayers Worten waren in den gesamten Alpen die Eismasseverluste der Gletscher „überall in den vergangenen zehn bis 20 Jahren unvorstellbar“.

Darum konnte sich der Gletscher im Allgäu so lange halten
Dass sich an der Südostseite von Mädelegabel und Hochfrottspitze auf etwa 2400 Metern Höhe überhaupt so lange ein Gletscherrest halten konnte, verwundert auf den ersten Blick. Denn normalerweise halten sich Gletscher an den Nordseiten der Berge noch am besten. Meteorologe Schug hatte das Phänomen untersucht. Die Erklärung: Der im Bereich der beiden Berge fallende Schnee lagert sich vor allem bei starken Nord- und Nordwest-Wetterlagen genau in der Mulde ab, in der sich der kleine Ferner befindet.
Zudem donnern aus den über 200 Meter hohen Felswänden der Hochfrottspitze oft große Lawinen mit gewaltigen Schneemengen auf den Gletscher und sorgen so für Nachschub. Die Akademie der Bayerischen Wissenschaften dokumentiert die Veränderungen der Gletscher alpen- und weltweit seit vielen Jahren. Schon seit 1964 ist der Vernagtferner in den Ötztaler Alpen ein Forschungsgegenstand.
In Bayern beobachten die Wissenschaftler die vier noch verbliebenen kleinen Gletscher an der Zugspitze und in den Berchtesgadener Alpen. Ein weltweites Forschungsprojekt gibt es unter anderem im zentralasiatischen Pamir-Gebirge (Fedtschenko-Gletscher/Tadschikistan). Dorthin ist Mayer derzeit im Rahmen einer Forschungsexpedition unterwegs. Immerhin bleibe der Gletscher dort noch ein bisschen länger erhalten mit 72 Kilometern Länge „und mehr als 1000 Metern Eisdicke im Maximum“, sagt Mayer. Zum Vergleich: Die Eismasse des Allgäuer Schwarzmilzferners ist an ihrer stärksten Stelle nur noch wenige Meter stark.
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