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Solidarische Landwirtschaft im Allgäu: So funktioniert sie auf dem Jörg-Hof in Durach

Serie: "So schmeckt das Allgäu"

„Mehr Qualität und Regionalität gibt es nicht“ - So funktioniert "Solidarische Landwirtschaft"

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    Alexandra, Tim und Matthias Wagner halfen auf dem „Jörg-Hof“ bei der Weißkohl-Ernte. Nach der Arbeit nahmen sie ihre Gemüsekiste in Empfang.
    Alexandra, Tim und Matthias Wagner halfen auf dem „Jörg-Hof“ bei der Weißkohl-Ernte. Nach der Arbeit nahmen sie ihre Gemüsekiste in Empfang. Foto: Ralf Lienert

    Unsere Region ist kulinarisch sehr vielseitig, heimische Produkte wollen wir in der Artikelserie „So schmeckt das Allgäu“ in den Fokus rücken: angefangen bei der Produktion über die Lieferketten bis hin zum Verkauf. Heute geht es um Solidarische Landwirtschaft. Wir haben Familie Wagner aus Kempten, die sich (fast) ausschließlich von Produkten aus der Region ernährt, auf einen Hof ins Oberallgäuer Durach begleitet.

    Familie Wagner packt kräftig an – und zwar freiwillig. An Freitagnachmittagen helfen Alexandra (33), Matthias (37) und die Söhne Paul (10) und Tim (5) auf dem Gemüsefeld des „Jörg-Hofs“ in Durach. Jetzt wurde auf dem Bioland-Betrieb Weißkohl geerntet, geschnitten, gehobelt und gesalzen. Nach einigen Wochen Lagerung im Keramiktopf entsteht daraus Sauerkraut, das von fleißigen Helfern wie den Wagners auf dem Hof abgeholt werden kann.

    Oberallgäu: Beteiligte legen fest, welches Gemüse angebaut wird

    Seit fünf Jahren wird dort „Solidarische Landwirtschaft“ (Solawi) praktiziert. Das bedeutet, dass ein Hof oder eine Gärtnerei eine Gruppe von Menschen aus der näheren Umgebung mit Lebensmitteln versorgt. Im Gegenzug stellt die Gruppe die nötigen Mittel für die Lebensmittel-Erzeugung zur Verfügung. Die Beteiligten teilen sich Entscheidungen und die Ernte. Sie legen zum Beispiel fest, welches Gemüse angebaut wird.

    „Es braucht Menschen, die bereit sind, für nachhaltigen Anbau Verantwortung zu übernehmen. Wir haben sie gefunden“, sagt das Landwirt-Ehepaar Barbara (50) und Hubert Jörg (54). 90 Solawi-Förderer zahlen monatlich jeweils 80 Euro und erhalten dafür von April bis Februar jede Woche eine Kiste mit saisonalem Gemüse für vier Personen ab Hof. Wer will, arbeitet selbst mit bei Saat und Ernte. (Lesen Sie auch: Wagners Tagebuch "made im Allgäu")

    Familie Wagner ist begeistert: „Neuer Bezug zu Lebensmitteln“

    „Für uns ist das Mithelfen ganz wichtig. Man bekommt einen anderen Bezug zu den Lebensmitteln und begreift erst, wie viel Arbeit dahinter steckt“, sagt Alexandra Wagner. Auch die zahlreichen Einfluss-Faktoren auf die Ernte werden verinnerlicht. „Wenn es nass und kalt war, fällt die Karotte halt leider kleiner aus“, nennt Barbara Jörg als Beispiel. Erstaunlich für alle Beteiligten ist, wie viel Gemüse auf dem fußballplatzgroßen Feld wächst und wie groß die Vielfalt im Jahreszyklus ist.

    Von Spinat, Radieschen, Rucola über Tomaten, Paprika, Gurken und Zwiebeln bis hin zu Kohl und Kürbis reicht die Palette. Insgesamt 35 Gemüsearten werden angebaut. „Die wöchentliche Kiste ist so üppig gefüllt, dass wir als vierköpfige Familie das gar nicht alleine schaffen, sondern mit einer weiteren Familie teilen“, sagt Alexandra Wagner.

    Noch ist Solawi im Allgäu eher unbekannt. Nur eine Handvoll Betriebe bietet ein ähnliches Modell wie der „Jörg-Hof“ an. Hubert Jörg will andere Landwirte dazu ermutigen, den Schritt zu wagen. „In jedes Dorf gehören zwei Solawis. Das Interesse der Leute ist da“, sagt er. Den Jörgs hat die Solidarische Landwirtschaft ermöglicht, mit der Milchwirtschaft aufzuhören. „Dieses immer mehr, immer größer – das war nichts für uns“, erzählt Barbara Jörg.

    "Solidarische Landwirtschaft" fördert die Artenvielfalt bei Tieren und Pflanzen im Allgäu

    Das Ehepaar wollte sich auf die Wurzeln der Landwirtschaft besinnen. „Und wir wollten, dass das auch anderen Menschen möglich ist.“ Bei der Teil-Umwandlung in Ackerbau half ihnen ein Gemüseanbau-Berater von Bioland: „Sein Wissen und seine Tipps waren enorm wichtig.“ Statt wie früher 50 Milchkühe halten die Jörgs heute nur noch eine kleine Mutterkuh-Herde. Das bedeutet, dass die Kälber von der Mutter aufgezogen werden – und zwar fast ausschließlich auf der Weide. Nach etwa zwei Jahren werden sie geschlachtet und ihr Fleisch direkt vermarktet.

    Da die Weideflächen nicht mehr so intensiv genutzt werden, „fördern wir die Artenvielfalt bei Pflanzen und Tieren auf unseren Wiesen“, nennen die Jörgs einen weiteren Vorteil. Mit seiner „Solawi“ ist das Landwirt-Ehepaar rundum glücklich. Genau wie die Mitglieder, die am Freitagnachmittag nach der Weißkohlernte ihre Gemüsekisten mit nach Hause nehmen. „Mehr Qualität und Regionalität gibt es nicht“, sagen sie.

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