Einen Gründerboom verzeichnete das Allgäu im Vorjahr. Über 5000 Neugründungen bedeuteten Rekord. Doch wie ist die Lage heute? Darüber sprachen wir mit dem Allgäuer IHK-Gründungsberater Gerhard Remmele.
Wie viele von den über 5000 im Jahr 2021 gegründeten Unternehmen im Allgäu haben bis jetzt überlebt?
Remmele: Diese Zahl liegt mir aktuell noch nicht vor. Aber es gibt eine Anhaltspunkte: Laut Studien sind etwa 85 Prozent aller Neugründundungen nach einem Jahr noch am Markt. Nach drei Jahren sind es noch zwei Drittel.
Aktuell belasten Inflation, drastisch gestiegene Energiepreise und Lieferengpässe die Bürgerinnen und Bürger sowie die Wirtschaft. Wie wirkt sich das auf die Gründerszene aus?
Remmele: Wir gehen davon aus, dass der Boom durch die kaum mehr planbaren Rahmenbedingungen abgebremst wird. Mir berichten immer wieder potenzielle Gründer, dass sie zwar eine Idee haben, aber sich momentan nicht trauen, diese umzusetzen. Sie möchten lieber abwarten und das Risiko geringer halten. Belastbare Zahlen gibt es dazu zwar noch nicht. Aber ich vermute, dass es 2022 drei bis fünf Prozent weniger Neugründungen im Allgäu gibt als im Boom-Jahr 2021.

Wer ein neues Gewerbe gründen möchte, ist häufig auf Fremdkapital angewiesen, um größere Investitionen tätigen zu können. Welche Möglichkeiten gibt es?
Remmele: Es gibt die Förderprogramme der Kfw (Kreditanstalt für Wiederaufbau, Anm. d. Red.) sowie der LfA. Sie ist das Landesförderinstitut des Freistaats und vergibt Förderkredite. Bei den Hausbanken haben es Neugründer schwieriger als in den Vorjahren. Die Banken schauen noch genauer hin, wie stabil eine Idee aus ihrer Sicht ist. Außerdem sind die Zinsen bei einer Kreditvergabe gestiegen.
Welche Allgäuer Neugründungen waren zuletzt besonders erfolgreich?
Remmele: Beispielsweise das Start-up Hoimat Genusskäserei“ aus Eschach hat viel auf die Beine gestellt. Es gibt zahlreiche weitere erfolgversprechende Gründungen.
aus Kempten, das von Investoren einen zweistelligen Millionenbetrag erhalten hat. Das Geld fließt in ein Schnellladenetz für Elektro-Autos im Allgäu. Auch die „Welche Bereiche sind aus Ihrer Sicht gerade jetzt erfolgversprechend?
Remmele: Energiegewinnung und -optimierung, Ressourcenschonung, effizientes Bauen und Wohnen oder Mobilität gehören zu den Top-Themen. Wer dazu neue Ideen hat, sollte sie nicht in der Schublade verstecken.
Welche Strategie verfolgen die meisten Neugründerinnen und Neugründer im Allgäu?
Remmele: Etwa 60 Prozent von ihnen sind nebenberufliche Gründer. Das heißt, sie arbeiten weiter in ihrem Job und versuchen in ihrer Freizeit ein neues Gewerbe aufzubauen. Diese Strategie ermöglicht es ihnen, mit geringem Risiko langfristig am Markt zu überleben.
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