Es ist ein schwülwarmer Sommermorgen. Schon früh ziehen vier Wegemacher der Kemptener Alpenvereinssektion los. Mit Schaufeln, Hacken, Sensen. Am frühen Vormittag erreichen sie auf dem Steig zur Kemptner Hütte unterhalb des Sperrbachtobels in den Oberstdorfer Bergen ihren Einsatzort. Alle sind Rentner. Peter Weiß aus Kempten beispielsweise, 71 Jahre alt. Seit kurzem ist er Wegewart der Alpenvereinssektion; bereits seit zwölf Jahren arbeitet er aktiv in der Gruppe mit.
Wege zu den Hütten werden freigemacht
Heute werden die üppig wachsenden Pflanzen auf dem Hüttenzustieg so zurechtgestutzt, dass die Wanderer hier durchkommen. Weiß arbeitet mit der Harke, einige hundert Meter weiter sein Kollege Hubert Schorer, 67, mit der Sense. Ihm rinnt der Schweiß von der Stirn, das T-Shirt ist nass geschwitzt. In der feuchten, vom wilden Sperrbach durchfluteten Schlucht steht die Hitze regelrecht. Das macht die Arbeit noch anstrengender und ruft Plagegeister auf den Plan: Blutsaugende Bremsen hinterlassen juckende Stiche. „Deshalb ziehe ich immer eine lange Hose an“, sagt Weiß und lacht. (Lesen Sie auch: Hier ist die Gams los: Zwei Tier-Beobachtungs-Stationen im Oberallgäu geplant)
Die insgesamt sieben Kemptener Wegemacher absolvieren jedes Jahr zusammen etwa 250 Arbeitsstunden, um das knapp 30 Kilometer lange Netz von Steigen und Pfaden in Schuss zu halten. Die Arbeitsgebiete der Sektion des Deutschen Alpenvereins (DAV) umfassen die Oberstdorfer und Tannheimer Berge. „Ein Großteil unserer Arbeit besteht darin, die Aufstiege zu den bewirtschafteten Sektionshütten jedes Jahr vor Saisonbeginn wieder herzurichten“, schildert Weiß.
Viel Arbeit wegen Unwettern
Die Arbeit geht nie aus – und dieses Jahr ist besonders viel zu tun. Begonnen hatte das schon nach dem schneereichen Winter. Dann kamen in diesem Sommer die vielen Unwetter im gesamten bayerischen Alpenraum. Die großen Regenmengen spülten Steige und Pfade aus, Bäume stürzten um. Damit das Wasser bei Starkregen seitlich abfließen kann, müssen immer wieder Querrinnen gegraben werden.
Ehrenamtliche betreuen laut Deutschem Alpenverein in den bayerischen und österreichischen Alpen ein Wegenetz von 30.000 Kilometern. Als Lohn gibt es nach getaner Arbeit eine Brotzeit – meist spendiert von Hüttenwirten oder vom DAV. Manchmal auch ein Dankeschön, so wie an diesem Vormittag, als Wanderer den Wegemachern begegnen. „Macht ihr das hier freiwillig?“, will einer wissen und sagt dann: „Das ist ja wirklich klasse, vielen Dank.“ (Lesen Sie auch: Mit „Kemptener-Fußgänger-Zone-Outfit“ in den Bergen: "Social-Media-Wanderer" machen im Allgäu Probleme)
Eine Million Euro für den Unterhalt der Wege
Etwa eine Million Euro gibt der DAV pro Jahr für den Unterhalt des Wegenetzes aus. Unterstützung kommt unter anderem vom Freistaat Bayern, von einigen österreichischen Bundesländern und der Versicherungskammer Bayern als Sponsor. Doch nicht alle Arbeiten können von Freiwilligen erledigt werden. So sanieren bezahlte Profis in diesem Sommer beispielsweise den Hindelanger Klettersteig vom Nebelhorn zum Großen Daumen in den Oberstdorfer Bergen. Sämtliche Drahtseilsicherungen werden erneuert; das alte Material befördert ein Hubschrauber ins Tal.
Für die freiwilligen Wegemacher an der Kemptner Hütte ist an diesem Tag gegen 14 Uhr Feierabend. Dann steigen sie ab, gönnen sich eine Brotzeit auf einer Alpe. „Übermorgen sind wir wieder aktiv“, sagt Weiß. Dann in den Tannheimer Bergen.
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