Psychischen Erkrankungen und Störungen sind weitverbreitet: Allein im Jahr 2022 haben Ärztinnen und Ärzte bei 7,52 Millionen gesetzlich Versicherten ab 18 Jahren mindestens eine psychische Störung oder Verhaltensstörung neu diagnostiziert, wie eine neue Analyse des Zentralinstituts für die kassenärztliche Versorgung in Deutschland zeigte. Besonders häufig: schwere Belastungen und Anpassungsstörungen, somatoforme Störungen und depressive Episoden.
Solche Erkrankungen und Störungen können den Alltag von Betroffenen erschweren. Ein geregelter Tagesablauf und Aufgaben im Haushalt sind dann bereits große Herausforderungen. Hier hoffen viele auf Pflegeleistungen. Doch ist es für Menschen mit psychischen Erkrankungen und Störungen überhaupt möglich, einen Pflegegrad zu bekommen? Das erfahren Sie in diesem Artikel.
Was ist ein Pflegegrad?
Wenn Menschen mit Beeinträchtigungen oder gesundheitlicher Belastung im Alltag Unterstützung benötigen, können sie unter bestimmten Voraussetzungen als pflegebedürftig zählen. Das erklärt das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) auf seiner Internetseite einfach-teilhaben.de. Zu den Bedingungen zählt, dass die betroffene Person ihre Beeinträchtigungen nicht selbstständig ausgleichen kann und deshalb für einen Zeitraum von mindestens sechs Monaten Hilfe durch andere Personen braucht. Außerdem muss ein Pflegegrad festgestellt werden.
Die Pflegegrade lösen das alte System der Pflegestufen ab. Sie sind eine Unterteilung der Pflegeversicherung. Sie unterscheidet damit, wie stark eine Person pflegebedürftig ist. Es gibt die Pflegegrade 1 bis 5. „Je höher die Pflegebedürftigkeit, desto höher ist der Pflegegrad und damit auch der Zuschuss, um Pflege und Betreuung zu finanzieren“, erklärt das Bundesgesundheitsministerium (BMG) auf seiner Info-Seite gesund.bund.de. Die Pflegegrade entscheiden also nicht nur, ob man einen Pflegeantrag stellen kann, sondern auch, welche Leistungen Betroffene dann erwarten.
Pflegegrad: Auch mit psychischen Erkrankungen und Störungen möglich?
Lange Zeit haben nur äußerliche körperliche Leiden zu einer Pflegebedürftigkeit geführt, psychische Erkrankungen blieben da auf der Strecke. Mit dem ersten Pflegestärkungsgesetz (PSG I) von 2015 wurde es auch Demenz-Erkrankten ermöglicht, als pflegebedürftig zu gelten.
Seitdem 2017 mit dem zweiten Pflegestärkungsgesetz (PSG II) die Pflegegrade von 1 bis 5 eingeführt wurden, erhalten alle Pflegebedürftigen Zugang zu den Leistungen der Pflegeversicherung, und zwar „unabhängig davon, ob sie von körperlichen, geistigen oder psychischen Beeinträchtigungen betroffen sind“, erklärt das BGM. Dementsprechend ist es grundsätzlich möglich, mit psychischen Erkrankungen und Störungen einen Pflegegrad zu bekommen.
Pflegegrad mit psychischer Erkrankung und Störung: Welche Bedingungen gibt es?
Ob Betroffenen von psychischen Erkrankungen oder Störungen ein Pflegegrad zusteht, entscheidet der sogenannte Medizinische Dienst (MD). Relevant ist dabei, wie sehr die Erkrankung zu einer Beeinträchtigung im alltäglichen Leben führt. Für das Gutachten orientiert sich der MD an einem Punktesystem, das unterschiedliche Lebensbereiche bewertet. Für Menschen mit psychischen Erkrankungen wie Depressionen oder Angststörungen sind vor allem die Module „Verhaltensweisen und psychische Problemlage“ oder „Gestaltung des Alltagslebens und sozialer Kontakte“ relevant.
Pflegegrad: Welche psychischen Erkrankungen und Störungen führen dazu?
Ob eine psychische Erkrankung oder Störung zu einem Pflegegrad führt, lässt sich also nicht pauschal beantworten. Die Fälle werden individuell entschieden. Klar ist, dass die Diagnose allein nicht ausreicht. Trotzdem gibt es einige Erkrankungen und Störungen, die häufiger zum Pflegegrad führen als andere.
Die Aufmerksamkeitsstörung ADHS kann zu einem Pflegegrad führen, besonders häufig sogar bei Kindern. Bei Fällen von Autismus ist ebenfalls ein Pflegegrad möglich: Das Bundesweite Pflegenetzwerk (BWPN) rät sogar explizit dazu, immer einen Pflegeantrag zu stellen. Besonders bei Kindern mit einer Autismus-Spektrum-Störung sind die Kriterien für die Pflegegrad-Einstufung laut dem BWPN fast immer erfüllt. So zählt etwa das Portal pflege.de die ADHS-Diagnose zu den häufigen Erkrankungen, die zu einer Pflegebedürftigkeit bei Kindern führen können. Depressionen, die häufig in der Bevölkerung auftreten, führen in schweren Fällen auch zu einem Pflegegrad. Laut Zahlen des BWPN können Betroffene in die Pflegegrade 1 bis 3 eingestuft werden, am häufigsten sind Depressionen demnach im Pflegegrad 2 zu finden.
Übrigens: In der Pflege ändert sich einiges. 2025 werden viele Leistungen erhöht. Und ab Juli 2025 wird laut dem BMG das Entlastungsbudget eingeführt, das Betroffene und pflegende Angehörige unterstützen soll.
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