„Uns fehlen Bäume, die nicht nur 80 oder 100 Jahre alt und dann gefällt werden. Eine Buche zum Beispiel kann bis zu 400 Jahre alt werden und Lebensraum für seltene Tiere bieten“, sagt Thomas Schneid. Der 47-Jährige ist als Förster für die Privat- und Gemeindewälder in Oy-Mittelberg, Wertach, Rettenberg und Sulzberg zuständig. Damit betreut er im Oberallgäu knapp 4700 Hektar, ein Großteil davon ist in privater Hand. „In meinem Gebiet habe ich rund 3600 Waldbesitzer.“ Eine von Schneids wichtigsten Aufgaben ist es, diese zu beraten, wie sie ihre Wälder bestmöglich bewirtschaften können.
An diesem regnerischen Tag geht Schneid durch ein Waldstück bei Rettenberg und hält die Augen nach sogenannten Biotopbäumen offen. „Da, an diesem Baum ist die Rinde aufgeplatzt“, sagt er und deutet auf eine hochgewachsene Buche. „Das ist ein guter Lebensraum für Fledermäuse.“
Förderung für Spech-Wohnungen: So können Waldbesitzer von Fördergeldern profitieren
Ein Stück weiter entdeckt er einen Baum, in dem ein Specht seine Höhle gebaut hat. „Wenn Waldbesitzer solche Bäume über Jahre stehen lassen, bekommen sie über den Vertragsnaturschutz Geld vom Freistaat Bayern“, erläutert Schneid. Je nach Größe könne es pro Baum weit über 100 Euro geben. Auch für Totholz, das auf dem Boden liegen gelassen wird und Platz für Pilze, Moose und Schnecken bietet, gebe es eine Förderung. Bei der Antragsstellung hilft Schneid den Eigentümern. „Die Arbeit eines Försters findet etwa zur Hälfte draußen und zur Hälfte im Büro statt.“
Mehr Mischwald, weniger Fichten: So verändert sich der Wald im Allgäu
Wenn sich Waldbesitzer dann kostenlos beraten lassen, kommen verschiedenste Aspekte zur Sprache: „Ziel ist es immer, die Funktionen des Waldes zu erhalten, also die Schutz- und Nutzfunktion, die Erholung und den Naturschutz.“ Früher haben Forstwissenschaftler laut Schneid argumentiert, dass es für Waldbesitzer am wirtschaftlichsten ist, auf Fichten zu setzen. „Davon hat man sich in relativ kurzer Zeit große Holzerträge bei überschaubarem Risiko erhofft.“
Mittlerweile ist die Devise auch mit Blick auf den Klimawandel eine andere. „Wir brauchen keine Reinbestände, sondern Mischwälder aus Weißtannen, Buchen und Fichten, gerne auch Bergahorn oder Ulmen, die besser an die steigenden Temperaturen angepasst sind. Und wenn ein Schädling wie der Borkenkäfer kommt, sind nicht alle Bäume auf einmal betroffen.“
(Lesen Sie auch: Zwölf Gründe, warum der Wald im Allgäu so wichtig ist - Einige überraschen)
Förster Thomas Schneid betreut 3600 Waldbesitzer im Oberallgäu
Die meisten Waldbesitzer hätten das verstanden und versuchten, beim Umbau des Waldes mitzumachen. Für die Aufforstung gebe es ebenfalls Fördergelder: 2,50 Euro pro Pflanze, dazu kommen diverse Zuschläge. Einen Euro mehr gibt es zum Beispiel im Bergwald. „So soll ein finanzieller Anreiz gesetzt werden“, sagt Schneid. Im besten Fall verjünge sich die Natur von selbst, das heißt die verschiedenen Arten breiten sich ohne Zutun des Menschen aus. Doch es geht nicht ohne Zusammenarbeit. „Wir brauchen auch die Jäger, die mit der Umsetzung der Abschusspläne dafür sorgen, dass die kleinen Pflanzen nicht von Wildtieren gefressen werden.“
Waldbesitzer mit völlig unterschiedlichem Background: "Manche mit wenig Vorkenntnissen"
Eine Beratung beim Förster ist nicht verpflichtend, viele nehmen sie aber gerne in Anspruch. „Die Waldbesitzer haben ganz unterschiedliche Hintergründe. Manche kommen aus der Landwirtschaft und kennen sich gut aus. Andere leben in großen Städten und haben teilweise wenige Vorkenntnisse, da muss man dann ganz von vorne anfangen.“
Damit jeder bereits in jungen Jahren ein Grundverständnis bekommt, können sich Schulen für Drittklässler zu einer Führung mit einem Förster anmelden. „Das Angebot wird gut angenommen“, sagt Schneid. Dabei gehe es nicht nur um die Bestimmung einzelner Baum-, Tier- oder Pflanzenarten. „Wir wollen die Kinder für die ökologischen Zusammenhänge sensibilisieren. Der Wald ist die grüne Lunge unserer Heimat.“
Neben Beratungen und Waldpädagogik ist Schneid auch für mehrere Gemeindewälder zuständig. „All das, worüber ich die privaten Waldbesitzer berate, ist im Gemeindewald meine Aufgabe.“ Heißt zum Beispiel: Aufforstung und Baumfällungen organisieren und dafür sorgen, dass von Borkenkäfern befallenes Holz entfernt wird. Dazu kommt die Verkehrssicherung, damit beispielsweise keine morschen Bäume auf eine Straße stürzen. „Das ist das Schöne an der Arbeit: Man ist mal drinnen und mal draußen, erlebt die Jahreszeiten und hat viel mit Menschen zu tun.“ Wer Förster werden will, muss Forstwirtschaft studieren und die Staatsprüfung erfolgreich bestehen. Auf dem Stundenplan stehen etwa Botanik, Zoologie, Vermessungslehre, Chemie und Mathematik.
------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------
Bayern will bis 2040 klimaneutral werden. Manche Allgäuer Kommune hat sich sogar noch ehrgeizigere Ziele gesetzt. Um diese zu erreichen und in der Region nachhaltig etwas zu verändern, sind viele Aspekte wichtig. Vom Bau neuer Windräder über den Umgang mit Abfall bis zum Pflanzen von Bäumen. In unserer Serie „Der Klima-Check“ greifen wir jeden Samstag einen Gesichtspunkt auf, informieren über den Stand der Dinge – und zeigen auf, was noch getan werden muss.
- Lesen Sie auch unseren Beitrag über einen Allgäuer Forstexperten und seine Forderung: "Wir brauchen stabile Mischwälder"
- Wie man Kleidung im Allgäu recyclen kann, lesen Sie hier.
- Wenn Sie wissen wollen, was die Allgäuer in ihre Restmülltonnen schmeißen, auch wenn es da nicht hingehört, lesen Sie hier.
- Wo es in der Region noch Mülldeponien gibt und was dort entsorgt wird, lesen Sie hier.
- Kann ein Smart Home beim Energiesparen helfen? Die Antwort darauf finden Sie in diesem Text.