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Kann eine Bürgerversicherung die Pflege revolutionieren?

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Kann eine Bürgerversicherung die Pflege revolutionieren?

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    Eine neue Form der Finanzierung in der Pflege: Könnte eine solidarische Bürgerversicherung die Pflege bezahlbar machen?
    Eine neue Form der Finanzierung in der Pflege: Könnte eine solidarische Bürgerversicherung die Pflege bezahlbar machen? Foto: Oliver Berg, dpa (Symbolbild)

    Die Pflegeversicherung zählt in Deutschland zu den sogenannten Pflichtversicherungen. So sind Menschen, die pflegebedürftig werden, für den Fall der Fälle abgesichert. Trotzdem sind die Kosten für die nötige Pflege oft hoch und die Pflegekasse übernimmt nur einen Teil. Das kann pflegebedürftige Menschen und ihre Angehörigen finanziell stark belasten – insbesondere bei vollstationärer Pflege im Pflegeheim.

    Aber auch die Pflegeversicherung selbst hat immer wieder mit Finanzierungsproblemen zu kämpfen. Auch ein Grund, warum der Pflegebeitrag zum 1. Januar 2025 um 0,2 Prozentpunkte auf 3,6 Prozent angehoben wurde. Kritiker befürchten allerdings, dass diese Maßnahme nur kurzfristig Erleichterung bringen wird und bereits 2026 wieder enorme Finanzierungsprobleme auf die Pflegeversicherung zukommen – wenn sich mit einer neuen Regierung nach der Bundestagswahl Ende Februar 2025 nichts ändert.

    Wie die Finanzierung der Pflege in Zukunft aussehen könnte, hat die Bundesregierung bereits im vergangenen Jahr in einem Bericht anhand verschiedener Modelle ausgearbeitet. Nun hat sich Gesundheitsökonom Heinz Rothgang mit einem aktuellen Gutachten im Auftrag des Bündnisses für eine solidarische Pflegevollversicherung zu Wort gemeldet. Am 29. Januar 2025 stellte er seine Idee einer Bürgerversicherung für die Pflege vor. An dem Vorschlag gibt es auch Kritik.

    Bürgervollversicherung: Was würde das für die Pflege-Kosten und die Finanzierung der Pflegekasse bedeuten?

    Dem Gutachten zufolge würde eine Umwandlung der Pflegeversicherung in eine Bürgervollversicherung bedeuten, dass alle Bürgerinnen und Bürger in diese aufgenommen werden würden – also auch die, die bisher privat versichert waren. Beiträge müssten zudem nicht mehr nur auf das Arbeitseinkommen, sondern auf alle Einkommensarten gezahlt werden, also auch auf Kapital- und Mieteinnahmen. Außerdem würde die Beitragsbemessungsgrenze der Krankenkasse an die der gesetzlichen Rentenversicherung angepasst werden.

    Das hätte laut dem Gutachten zur Folge, dass Menschen mit niedrigen und mittleren Einkommen kaum zusätzlich belastet werden, die Beiträge für Besserverdienende aber deutlich steigen würden.

    Für pflegebedürftige Menschen sieht das Gutachten in einer Bürgervollversicherung in der Pflege deutlich geringere Kosten vor. Eigenanteile könnten im ambulanten Bereich gedeckelt und in der vollstationären Unterbringung in einem Pflegeheim sogar vollständig übernommen werden. Das könnte unter anderem eine Erhöhung und Verbesserung der Leistungen der Pflegeversicherung bedeuten.

    Wie sieht es aber im Hinblick auf Finanzierung aus? Auch darauf hält das Gutachten eine Antwort bereit. Kurzfristig gesehen würden die Ausgaben durch eine Vollversicherung demnach zwar steigen, langfristig könnte sich die Finanzierung aber unter anderem durch die größere Zahl an Beitragszahlern stabilisieren. Auf dem aktuellen Niveau könnte der Beitragssatz auf lange Sicht trotzdem nicht gehalten werden. Laut dem Gutachten würde er aufgrund des demografischen Wandels und immer weiter steigender Pflegefallzahlen trotz zusätzlicher Einnahmen weiter ansteigen – aber immerhin langsamer als ohne Pflegereform.

    Laut dem Gutachten können durch die Umstellung auf eine Pflegebürgerversicherung die Finanzierung langfristig gesichert, die Kosten für pflegebedürftige Menschen gesenkt und eine gerechtere Lastenverteilung zwischen den verschiedenen Einkommensgruppen und Versicherungsarten erreicht werden. Immerhin seien einkommensstarke und risikoarme Menschen oft privat versichert, während gesetzlich Versicherte ein höheres Pflegerisiko hätten. In Zahlen bedeutet das dem Gutachten zufolge, dass privat Versicherte im Durchschnitt 66 Prozent mehr Einkommen haben, die Pflegeausgaben aber deutlich geringer sind.

    Bürgerversicherung: „Die solidarische Pflegevollversicherung gehört ganz oben auf die To-do-Liste“

    „Unser Gutachten zeigt, dass eine Vollversicherung – auch langfristig – im Rahmen der Sozialversicherung finanzierbar ist, ohne den Beitragssatz wesentlich erhöhen zu müssen“, erklärt Heinz Rothgang als Autor des Gutachtens sowie Professor für Gesundheitsökonomie und Versorgungsforschung an der Universität Bremen. Voraussetzung sei, dass „die Pflegeversicherung gleichzeitig zu einer Bürgerversicherung weiterentwickelt wird, in die alle einzahlen und in der alle Einkommensarten beitragspflichtig sind“.

    Von der Idee sind auch die Auftraggeber, das Bündnis für eine solidarische Pflegevollversicherung, überzeugt. In einer gemeinsamen Pressemitteilung erklärt etwa Joachim Rock, Hauptgeschäftsführer des Paritätischen Gesamtverbandes, „die Pflegevollversicherung gehört ganz oben auf die To-do-Liste einer neuen Bundesregierung“. Und auch Sylvia Bühler von Verdi ist überzeugt. Sie sagt, die Pflegeversicherung müsse gerecht aufgestellt werden. Man müsse sich im Pflegefall auf eine solidarische Versicherung verlassen können, erklärt auch Manfred Stegger, Vorsitzender des BIVA-Pflegeschutzbundes. Denn: „Sozialhilfe ist kein würdiger Ersatz für Ansprüche aus eigenen Beitragszahlungen.“

    Kritik an einer Bürgervollversicherung in der Pflege: Diese „Kernprobleme“ werden mit der Idee ignoriert

    Es gibt aber auch Kritik an der Idee einer Bürgervollversicherung in der Pflege. Florian Reuther, Direktor des Verbandes der Privaten Krankenversicherung (PKV) etwa hält sie für „geradezu absurd“. Einer Pressemitteilung des PKV zufolge sei die Idee alt und ignoriere das Kernproblem der Umlagefinanzierung: Immer weniger junge Menschen müssen für immer mehr ältere und pflegebedürftige Menschen zahlen.

    „Der Ruf nach einer erzwungenen Einheitsversicherung ist eine 30 Jahre alte Idee, die aus gutem Grunde nie umgesetzt worden ist“, erklärt Reuther. Für den Aufbau der privaten Vorsorge hätten 9,2 Millionen Menschen jeden Monat zusätzliche Beiträge eingezahlt, „ihnen diese Vorsorge jetzt wegnehmen zu wollen, wäre nicht nur ungerecht, sondern klar verfassungswidrig“. Reuther zufolge ließen sich die strukturellen Probleme der sozialen Pflegeversicherung nicht mit der „Zerstörung der Privaten Pflegeversicherung“ lösen.

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